(…) Susanne nach dem Bade beschäftigt sich mit dem Körper – dem weiblichen Körper und mit dem Blick auf diesen Körper. Es ist ein Blick, der mit den Blicken all derer, die die biblische Geschichte ‘Susanna im Bade’ über die Jahrhunderte interpretiert haben, in einem Dialog steht.
Kontrovers zu den historisch bedingt vielen männlichen Blicken und in Verbundenheit zu Artemisias Gentilechis Blick. Diese malte lebensnah – mit dramatischen Lichteffekten – Frauen mit autobiographischen Zügen und beschrieb das physische Drama der Susanna im Bade; zeigte ihre Angst, Ohnmacht und Bedrängnis, machte sie zur aktiven Heldin, während sie im Auge der männlichen Betrachter als Objekt der Begierde, als sinnliche Attraktion und als bewusste oder auch unbewusste Verführerin zu sehen ist.
Judith Baums Susanna nach dem Bade zeigt ihr Gesicht selten. Ihr Körper ist teilweise entblößt und auch wieder versteckt. Sie sitzt nicht, sie liegt. Das Bad ist vorbei. Ihre Körperpositionen lassen Schlüsse zu, geben Interpretationsspielraum für die BetrachterIn. Judith Baums Susanna verweigert die Preisgabe ihrer Geheimnisse. Sie ist eine Heldin, die nur teilweise transparent ist – auch hier spüre ich eine Verbindung zu meiner eigenen Arbeit.
Ich denke darüber nach, was Judith Baum über den Moment Zufall gesagt hat; über das Miteinbeziehen von dem, was ‘unkontrolliert’ ist, was über das absichtliche Wissen davor hinausgeht, und denke an den Moment, den ich beim Drehen immer den authentischen Moment nenne. Wenn ich alle Zutaten beisammen habe und dann die Emotion bis zu einem Punkt treibe – hochgekocht oder runtergekühlt habe und den ich dann drehe. Der mehr ist, als das, was ich zuvor gewusst oder gespürt habe.
Judith Baums Ausgangsmaterial für Susanna nach dem Bade war Videomaterial -lebensnahes und doch gestaltes Material mit einer Frau, mit der sie in Interaktion war. Auch sie filtert dann, ähnlich wie ich, den Moment heraus. Den Moment und noch viele von den Momenten als Sequenz. Die sie dann Bild für Bild auf Leinwand überträgt.
Dazu schreibt sie mir: ‘Beim Malen ist das Videostill natürlich einem eigenen Prozess unterworfen: eine 24stel Sekunde wird da einerseits in der Größe extrem aufgeblasen, in ein komplett anderes Medium umgesetzt und andererseits zu vielen, vielen Stunden entschleunigt. Und das genau ist ja das Schwierige: zu erklären, was beim Malen passiert.
Ich denke, bei mir ist das ein ständiger Wechsel zwischen klarer Abwägung von Bild- und Farbkompositom und dann wieder rein emotional, welche Farbnuance ich jetzt wirklich genau nehme, weil Bildschirmfarbe, Druckfarbe oder Öl bzw. Acryl ganz unterschiedlich funktionieren – schon allein beim Licht. (…)
Genau so, wie man auch nie sagen kann, wann ein Bild fertig ist. Das entscheide ich kaum mit dem Kopf, – das ist Gefühlssache.’
Sabine Derflinger